Neben dem Vorgehen der Stadtverwaltung ist auch die Argumentation der Stadt in der Beschlussvorlage fragwürdig. Unsere Einschätzung ist: Das Ergebnis stand von vornherein fest. Für uns positive Aspekte sowie die gleichzeitig mit den Unterschriften übergebene rechtliche Stellungnahme wurden von der Stadt ignoriert. Eine faire, inhaltliche Prüfung fand nicht statt.
Das wird zum Beispiel deutlich, wenn die Kölner Stadtverwaltung uns einen Verstoß gegen das Kopplungsverbot vorwirft.
In der Forderung eines Bürgerbegehrens dürfen mehrere Fragen nur miteinander verknüpft werden, wenn diese Fragen inhaltlich zusammenhängen. Es bedarf eines engen sachlichen Zusammenhangs innerhalb eines einheitlichen Regelungsgegenstandes. Maßgeblich ist, ob die Teilfragen oder -maßnahmen nach objektiver Beurteilung innerlich eng zusammenhängen und eine einheitliche abgrenzbare Materie bilden.
Zur Begründung beruft sich die Stadtverwaltung auf die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen für den den Bau von Radwegen und für die Einrichtung von Fahrradstraßen. Es würden dafür „andere rechtliche Maßstäbe“ gelten.
Das verkennt völlig, dass es beim Kopplungsverbot nicht auf den „rechtlichen“, sondern auf den „sachlichen“ Zusammenhang ankommt. Dieser sachliche Zusammenhang ist eindeutig gegeben: Von uns gefordert wird die Umsetzung des Radverkehrshauptnetzes der Stadt Köln, welches nun mal Gelbes Netz mit Grünen Netz eng miteinander verknüpft. Erst durch die Verbindung von Fahrradstraßen und Radwegen entsteht ein flächendeckendes Radwegenetz, das sicheres Radfahren in ganz Köln ermöglicht.
Unreflektierte Orientierung an Urteil zum RadEntscheid Bochum
In der Beschlussvorlage stützt sich die Stadt hauptsächlich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zum RadEntscheid Bochum (15.03.2024 – 15 K 1844/22). Dabei geht sie jedoch nicht auf die wesentlichen Unterschiede zwischen unserer Forderung und derjenigen des RadEntscheids Bochum ein. Die Bochumer Forderung ist allgemeiner und umfassender: Sie umfasst über 600 Wörter und strebt die Umsetzung von sieben Zielen an (u. a. Radwege, Kreuzungen, Abstellanlagen, Radschulwegpläne), ohne sich auf ein konkretes Radverkehrsnetz zu beziehen. Der Fahrrad-Entscheid Köln hingegen formuliert mit lediglich 87 Wörtern ein klar abgegrenztes Ziel – die Umsetzung des bereits von der Stadt beschlossenen Radverkehrshauptnetzes. Dass diese Unterschiede bestehen, wird in der Argumentation der Stadtverwaltung weder anerkannt noch berücksichtigt.
Keine bürgerbegehrensfreundliche Auslegung
Vorneweg – der rechtliche Maßstab bei der Bewertung von Bürgerbegehren ist wie folgt:
Fragestellung und Begründung sind bürgerbegehrensfreundlich auszulegen. An die sprachliche Abfassung der Fragestellung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das Rechtsinstitut Bürgerbegehren ist so angelegt, dass auch Gemeindebürger ohne besondere rechtliche Kenntnisse die Fragestellung formulieren können sollen. Daher ist eine „wohlwollende Tendenz“ gerechtfertigt, weil das Rechtsinstitut handhabbar sein soll, solange nur das sachliche Ziel des Begehrens klar erkennbar ist.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15.03.2024 – 15 K 1844/22
Dieser Maßstab wird von der Stadtverwaltung zwar zitiert, aber nicht angewandt.
Laut der Beschlussvorlage der Stadt Köln ist unsere Forderung nicht verständlich genug. Das gelte vor allem für die Begriffe „Gelbes/Grünes Netz“ sowie „freilaufende Kfz-Rechtsabbiegerspuren“. Das sehen wir anders. Die Begriffe „Gelbes Netz“ und „Grünes Netz“ sind in der Forderung erklärt (als „Kfz-Hauptverkehrsstraßen“ für das Gelbe Netz und als „Straßen mit geringerer Kfz-Belastung“ für das Grüne Netz). Hierauf geht die Beschlussvorlage der Stadt überhaupt nicht ein. Die Bürger:innen Kölns kennen ihre Stadt und ihre Straßen – sie wissen, was damit gemeint ist. Hinsichtlich einer genaueren Konkretisierung reicht es wohl aus, auf bestehende Beschlüsse der Stadt zu verweisen. Auch der Begriff „freilaufende Kfz-Rechtsabbiegerspuren“ ist beschreibend und damit selbsterklärend.
Weiter steht in der Beschlussvorlage: „Auch dass Gelbes und Grünes Netz gemeinsam das Radverkehrshauptnetz bilden, ergibt sich aus dem Text des Bürgerbegehrens nicht.“ Für uns stellt sich die Frage, was in unserer Forderung mit „folgende Maßnahmen für den beschleunigten Ausbau des beschlossenen Radverkehrshauptnetzes“ sonst gemeint sein kann. Damit wird den Kölner:innen unterstellt, sie hätten keinerlei Leseverständnis. Das ist unvereinbar mit einer bürgerbegehrensfreundlichen Auslegung.